12.792 Organisationen des bürgerschaftlichen Engagements haben auf die neueste Umfrage von ZiviZ geantwortet und seit November 2023 ist die Auswertung öffentlich. Wie sehen die Ergebnisse aus?
Im Jahr 2022 hat es 656.888 zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschlang gegeben haben, wobei mit 94 % die allermeisten als Vereine organisiert sind (S. 9, Bericht). Gleichzeitig nimmt die Anzahl der Vereinsgründungen bundesweit stark ab (2011: knapp 15.000 / 2021: 9.957). Unter den Städten sticht dabei Hamburg mit Vereinsneugründungen im Vergleich zu Städten und Landkreisen heraus (S. 15). Die meisten Organisationen verzeichnen weniger als 10.000 Euro Gesamteinnahmen im Jahr, nur etwas mehr als ein Viertel beschäftigt Hauptamtliche. Stärkere Rückgänge beim Engagement verzeichnen insbesondere die Sportvereine, während die Bereiche Bildung und Umwelt, insbesondere in den Städten. Bedauerlicherweise erfasst der ZiviZ Survey keine separaten Daten über Selbsthilfeorganisationen, so dass tatsächlich hierzu weiterhin nur indirekt aus bestimmten Bereichen Rückschlüsse gezogen werden können. Am ehesten dürften sich im Bereich Gesundheitswesen (für 3 % der Organisationen das Hauptengagementfeld) und Bürger-/Verbraucherinteressen (2 %) noch Selbsthilfeorganisationen verbergen (Überblick S. 18).
Wer sich engagiert möchte häufiger „Impulse für sozialen Wandel geben und an politischen Prozessen partizipieren“ (S. 2, S. 26-29). Wie schon in den letzten Jahren stehen viele Organisationen vor dem Problem Leitungsfunktionen, insbesondere Vorstände, neu zu besetzen (S. 34-37). Die Belastung durch bürokratische Arbeiten und Formalien werden hierbei als größtes Hindernis angesehen, Menschen für diese Arbeit zu gewinnen. Interessant ist, dass 30 % der Befragten angeben, dass sie zahlreiche Freiwillige aufweisen, die nicht mehr Mitglied in der Organisation sind. Wer Mitgliedschaft zur Voraussetzung für Engagement macht, hat deutlich größere Schwierigkeiten, neue Engagierte zu finden und an sich zu binden. Dies spiegelt sich auch, aber nicht nur, darin wider, dass in den Vorständen selten junge Erwachsene oder Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen vertreten sind (S. 48-51). Sehr unterschiedlich fallen auch die Erfahrungen mit der Digitalisierung aus: jede fünfte Organisation verzeichnet durch digitale Angebote einen Anstieg an Teilnehmenden, doch nur wenige erreichen eine höhere Beteiligung an Entscheidungsprozessen. Zudem beklagen ein Fünftel als Folge digitaler Angebote ein abnehmendes Gemeinschaftsgefühl (S. 53-55). Hilfreich für die Organisationen sind der Ausbau von Engagement fördenden Strukturen vor Ort (in Hamburg also Engagement dock, das Haus des Engagements und auch das Aktivoli Landesnetzwerk).
Das Fazit der Studie hebt darauf ab, dass der Untersuchungszeitraum durch Krisen und die Digitalisierung bestimmt worden ist. Das hat durchgehend zu Belastungen geführt, die sich auch auf die Art und Weise des Engagements und die Kraft dafür ausgewirkt haben. Zudem stellt die Zunahme des informellen Engagements ohne feste Mitgliedschaft eine der zentralen Herausforderung dar. Aufgrund des Wunschs nach Wirkmächtigkeit des eigenen Engagements findet sich natürlich auch der Appell an die Politik, „zivilgesellschaftliche Organisationen in politische Prozesse der Gesellschaftsgestaltung systematisch einbinden“. Ziel sollte es sein, die Bürokratie für die Arbeit im Ehrenamt abzubauen und Unterstützungsangebote für Engagierte in Vereinen und Verbänden vor Ort auszubauen. Ähnlich sieht es mit der Frage der Vielfalt aus, sei es die Einbindung von jungen Menschen und von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen und Lebensbezügen.
Wie schon bei den vorherigen ZiviZ Surveys lohnt sich auf jeden Fall ein genauerer Blick auf die Studienergebnisse, denn sie geben einen guten Überblick über das zivilgesellschaftliche Engagement in Deutschland.
Am 7. März, 15-16.30 Uhr, findet organisiert von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt eine Online-Vorstellung der Studie statt: https://www.deutsche-stiftung-engagement-und-ehrenamt.de/veranstaltung/die-veraenderte-organisierte-zivilgesellschaft/
Die Website von ZiviZ findet sich hier: https://stifterverband.shinyapps.io/ZiviZ_Survey/
Die neue Studie findet sich hier: https://www.ziviz.de/sites/ziv/files/ziviz-survey_2023_hauptbericht.pdf
Frank Omland, Öffentlichkeitsarbeit
P.S.
Im Mai 2023 gab es eine erste Vorauswertung. Die Zusammenfassung dazu findet sich bei uns auf der Website: https://www.kiss-hh.de/aktuelles-beitrag/studien-zum-zivilgesellschaftlichen-engagement